Montag, 31. August 2015

Schweden: Norra Kvill Nationalpark

Der schwedische Morgen war noch jung, doch die Sonne berührte bereits den durch die Nacht abgekühlten Boden. In der Luft konnte ich deutlich diese Kälte spüren und die Müdigkeit der Nacht steckte in meinen Knochen. Nach einem heißen Kaffee und einer Schüssel Müsli im Bulli sollte es dann los gehen, um die Schönheit des Nationalparks Norra Kvill entdecken, spüren und riechen zu können. Doch vorher musste noch der Rucksack gepackt werden. Da es sich um einen kleinen Nationalpark handelt, beschränkten sich die Gegenstände auf Wasser und Kamera. Nachdem Magen und Rucksack gefüllt waren, wurden die Stiefel geschnürt und es ging los. Die Neugier auf die unberührte Natur ließ sowohl Füße als auch Rucksack federleicht erscheinen, die Müdigkeit war wie weggeblasen und die nächtliche Kälte nur noch an den Händen zu spüren. Nach ein paar Schritten auf einer typisch schwedischen Schotterstraße sah ich das Eingangstor zum Norra Kvill Nationalpark.

Das Eingangstor
Die Wegweiser versprachen nur eine kleine Wanderung von knapp sechs Kilometer, doch durch vorher gesuchte Information war mir bereits klar, dass es kein leichter Weg werden würde. Kaum war das Tor passiert, wurde der Weg schmäler und steinig. Meine Konzentration lag nun ganz auf meinen Füßen, einen langsam vor den anderen. Die Schritte mussten sicher sitzen, damit eine Verletzung vermieden werden konnte. Gute Wanderstiefel sind im Norra Kvill auf jeden Fall angesagt. Links und rechts des Weges erstreckt sich ein Meer aus Wald und Moos. Steine werden förmlich vom weichen Moos verschlungen und die Kiefern hauchten der morgendlichen Sonne eine mystische und zugleich bewegende Atmosphäre ein. Den Weg der Sonnenstrahlen auszumachen, war mehr als einfach. Die Sonne kitzelte an den kühlen Händen und langsam wurden auch diese durch warmes Blut versorgt, welches durch den kleinen Aufstieg und die Bewegung den ganzen Körper durchströmte. Je größer die Entfernung zum Eingangstor, desto dichter wurde der Wald. Das Moos schien mehr und mehr weicher zu werden und Steine konnte ich nur noch auf dem Wanderweg erkennen.

Ein Geröllfeld abseits des Weges
Voller Freude lief ich den Weg entlang und der Aufstieg wurde steiler und steiniger. Mein Herzschlag stieg und langsam spürte ich eine mollige Wärme, welche angefangen bei den Füßen den ganzen Körper durchzog. Einen kleineren Anstieg weiter und es öffnete sich der unglaublich beruhigende Blick auf den Stora Idgölen, den größeren der beiden Seen.

Stora Idgölen
Das Wasser lag sehr ruhig, bald so ruhig, dass es einem Spiegel ähnelte. So sehr eine Abkühlung jetzt gut getan hätte, war mir doch klar, dass dieser See seine Unberührtheit verdient hat. Nur so konnten sich die unglaublich vielen Seerosen hier ansiedeln und dem See die Ausstrahlung geben, welche merklich mein Gemüt berührt hat.

Seerosen auf dem Stora Idgölen
Nach einer kleinen Genießerpause am See ging es weiter Richtung Lilla Igdölen, der kleinere der beiden Seen. Der Weg dorthin war weniger steinig, dafür umso waldiger. Je tiefer ich in den Wald vordrang, desto mehr stieg mir der moosig wohlige Geruch von feuchtem Boden in die Nase. Der Geruch ähnelte stark dem, welchen man in einem sonnigen Herbsttag bei einem schönen Waldspaziergang wahrnehmen kann. Die Stille im Norra Kvill war einfach unglaublich, es war bald zu still für einen so dichten Wald. In der Ferne konnte ich das Krähen eines Hahnes vom wahrscheinlich nahe gelegenen Hof hören, doch die erwarteten Vogelgesänge blieben aus. Wahrscheinlich war der Hauptgrund hierfür der Zeitraum Ende August, welcher nicht gerade die übliche Paarungszeit für Vögel ist. Während der Wanderung blieb es nicht aus, das ich mir aufgund der vielen Spinnweben ab und zu mal das Gesicht wischen musste. Circa drei Kilometer und viele Spinnweben weiter erwartete mich ein erneut unglaublicher Blick auf den Lilla Idgölen. Auf Grund seiner geringen Größe erinnerte er mich mehr an einen Teich, doch das Wasser war viel zu klar und die Seerosen zu zahlreich für einen Teich. Mein Blick auf den See wurde durch einen auf einer Landzunge stehenden kleinen, fast abgestorbenen Baum noch sehr bereichert.

fast toter Baum am Lilla Idgölen
Der Wanderweg führte mich weiter auf einem waldigen Weg. Nicht ganze fünf Meter vom Lilla Igdölen entfernt wurde der Wald merklich dichter. Umgestürzte Bäume stellten kein Hindernis auf dem Weg dar, diese wurden entweder durch die Parkverwaltung geteilt und ein wenig zur Seite geräumt oder der Weg führte einfach darüber hinweg. Ein Entfernen oder Beschädigen von Pflanzen und Tieren aus einem Nationalpark ist verboten und dazu zählen auch tote Bäume. Genau dieser Umstand gibt dem Norra Kvill seine unglaubliche Mystik. Die Natur nutzt die toten, umgefallen Bäumen und siedelt hier schnell neues Leben an. Zuerst kommen kleine Insekten, welche das Holz fressen und dann dauert es nicht lang bis auch Pflanzen den Baum bewachsen. Der Anblick von Natur, welche voll im Leben steht und von solcher, welche durch die Natur wieder belebt wird, ist atemberaubend und beruhigend zugleich. Das Wissen um diesen Umstand, dass der Mensch nie mächtiger als Natur sein wird, gibt mir eine innere Ruhe. denn auch eine wenig befahrende, stabile Autobahn wird sich die Natur zurück holen.

Der Wanderweg wurde merklich steiler, was mir zum einem klar machte, dass der Berg Idhöjden nicht mehr weit sein konnte. Nach gut 20 Minuten stetigen bergauf wurde genau dies mit einem unglaublichen Blick über Schwedens Landschaft belohnt.

Der Berg Idhöjden
Der Berg bot eine sagenhafte Aussicht und auch wenn sich diese fast nur auf die Baumwipfel von Nadelbäumen beschränkt, wirkte sie unglaublich beruhigend. Die Natur lag ruhig und ich konnte erneut nur das Krähen des Hahnes in weiter Ferne ausmachen. Zwischen all diesem hörte man eine Taube und das Rauschen des Windes an den Baumwipfeln. Den Ausblick nutze ich zum Durchatmen, Wasser trinken und neue Kraft schöpfen.

Ausblick vom Berg Idhöjden
Bergab führte mich der weitere Weg durch tiefen Wald vorbei an weiteren umgestürzten Bäumen, welche ihren Halt im steinigen Boden verloren zu scheinen haben.

Bäume auf dem Wanderweg
Wieder einmal lud der Weg zum Genießen von Natur und Wanderung ein. Einige Kilometer weiter eröffnete sich mir wiederholt der Blick auf den Stora Igdölen. Ich konnte die Schönheit unberührter Natur ansehen, welche diese nur annehmen kann, wenn ihr freier Lauf gelassen wird. Im Gegenteil zur landläufigen Meinung verwildert die Natur nicht, sondern sie entwickelt im Zusammenspiel von Konsumenten und Destruenten eine unglaubliche Schönheit, wie sie ein Mensch durch Gärtnerei nur sehr schwer nachempfinden kann. Der weitere Wanderweg führte sehr nah am Ufer des Stora Igdölen entlang. Durch die Feuchtigkeit handelt es sich um ein moorige und sehr moosige Wanderung. Bei meinen Annäherungsversuchen zum Ufer war jeder Schritt überlegt, denn ich hätte ohne weiteres bis zum Knie im Moor versinken können.

Ein toter Baum mit Moosbewuchs
Kaum hatte ich den halben See umrundet, traf ich wieder auf den Anfang des Wanderweges. Der restliche Weg führte mich knapp 500 Meter bergab und ich verließ den Norra Kvill durch den selben Eingang wie ich diesen betreten habe.
Zurück bleiben unglaubliche Bilder im Kopf wie auch auf CCD-Chip. Weiterhin werde ich mich an schlechten Tagen immer wieder einen Ort im Kopf haben, an welchen ich mich zurückziehen kann um neue Kraft zu tanken.

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